Zur Geschichte Buchs und Umgebung

 

I. Besiedlung              

Die frühesten auf Menschen hinweisenden Überreste im Raum Buch stammen aus der mittleren Steinzeit. Eine dauerhafte Siedlungstätigkeit läßt sich aber für die vorgeschichtliche Zeit bislang nicht nachweisen. Eine solche fand wohl erst seit dem frühen Mittelalter statt: Hofen-Orte, die für die Ausbauphase der alamannischen „Landnahme" seit dem späten 6. Jahrhundert stehen können, sind mit Christerts-, Dieters-, Gannerts-, Halberts- und Rennertshofen in der Gegend stark vertreten. Beim Hausen-Ort Obenhausen findet sich ein geographischer Bestimmungszusatz (Oben-), der als charakteristisch für die fränkische Staatskolonisation des 8./9. Jahrhunderts gilt. Hierfür spricht auch: Der Ort liegt möglicherweise an einer Altstraße (Verbindung Illertissen-Krumbach-Schwabmünchen), und er verfügt mit St. Martin über einen karolingischen Lieblingsheiligen als Kirchenpatron.

Eine Entstehung im 11./12. Jahrhundert ist für Buch, Nordholz und Ritzisried zu vermuten. Die Orte tragen ihre Herkunft aus hochmittelalterlicher Rodungstätigkeit deutlich im Namen. Auch bei den Einöden Waldreichenbach und Imberg ist wegen der Endungen (-bach, -berg) sowie der etwas abgelegenen Lage sicherlich nicht an eine Entstehung vor dem 11. Jahrhundert zu denken. Als Urheber dieser Siedlungsarbeiten sind die hochadligen Herren von Biberegg-Roggenburg anzusehen. Hierfür spricht, neben besitzgeschichtlichen Überlegungen, auch das im bayerischen Schwaben eher ungewöhnliche St.-Valentins-Patrozinium in Buch: Außer dem als Patron der Liebenden verehrten spätantiken römischen Priester Valentin gibt es nämlich noch einen weiteren Heiligen dieses Namens: St. Valentin von Rätien. Dieser missionierende Wanderbischof wirkte im späten 5. Jahrhundert im Vinschgau und im Engadin. Er erfährt daher in dieser Gegend besondere Verehrung. Ein Verbindungsglied zwischen Buch und der Region Rätien haben wir mit Konrad von Biberegg-Roggenburg. Er wirkte in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Bischof von Chur und könnte den dortigen Valentinskult in seine Heimat übertragen haben. Erfolgen konnten solche religiös-kulturellen Transfers zum Beispiel durch Übersendung von Reliquienfragmenten.

 

II. Hochmittelalter - Die Familie Biberegg-Roggenburg

Buch und Umgebung gehörten einst zur Besitzlandschaft der weitgehend unbekannten hochadeligen Familie Biberegg-Roggenburg. Die Gegend zwischen Buch und Weißenhorn befand sich seit dem späten 13. Jahrhundert nachweislich in der Hand der Herren von Neuffen - und die Neuffen wiederum waren die Erben der Biberegg-Roggenburger (siehe Folgeabschnitt.). Das nur spärlich belegte Geschlecht (1125-1160) der Biberegger war vor seinem Aussterben in und um Roggenburg, Weißenhorn und Neuburg a.d. Kammel reich begütert. Die Familie hatte den Großteil ihres Besitzes als Lehen des Bischofs von Augsburg inne. Im Gegenzug waren die Biberegger ihrem Bischof zu Treue und Kriegsdienst verpflichtet. Generell war das bayerische Schwaben bis weit ins 12. Jahrhundert eine durch den Bischof von Augsburg und seine Gefolgsleute dominierte Region.

 

Die Familie Biberegg-Roggenburg tritt um 1115 mit Siegfried von Roggenburg erstmals ans Licht der Quellen. Sie wird teils nach einer heute nicht mehr lokalisierbaren, aber wohl nahe des Biberflusses gelegenen Burg Biberegg , teils nach der Roggenburg (Standort nahe des späteren Klosters) bezeichnet. Die drei Brüder Berthold, Siegfried und Konrad von Biberegg gründeten auf ihrem Grund und Boden um 1130 das Prämonstratenserstift Roggenburg. Damit geben sie sich als Anhänger der süddeutschen antikaiserlichen Adelsopposition zu erkennen. Deren papsttreue hochadlige Mitglieder stifteten vor dem Hintergrund des Investiturstreits um 1100 zahlreiche Klöster im süddeutschen Raum (u.a. auch Wiblingen, Elchingen, Ochsenhausen, Blaubeuren). Die Biberegger unterhielten außerdem Verbindungen zu den mächtigen Grafen von Kirchberg (Gründer des Klosters Wiblingen) und stellten mit Konrad den Bischof von Chur. Außerdem bestanden - wohl durch Heirat begründete - verwandtschaftliche Bindungen zur einflußreichen, mit den vornehmsten Kreisen Schwabens versippten Familie Sulmetingen-Neuffen. Die Herren von Biberegg-Roggenburg, Gründer Buchs, waren also eine bedeutsame Größe im hochmittelalterlichen bayerischen Schwaben.

 

 

III. Spätmittelalter und Frühe Neuzeit

 

1. Übergang an die Herrschaft Weißenhorn (Orte im Rothtal, sowie Ritzisried und Waldreichenbach)

a) Buch und Umgebung unter den Herren von Neuffen-Weißenhorn (1160-1342)

Der Besitz der spätestens 1160 erloschenen Familie Biberegg-Roggenburg ging teils auf ihre Klostergründung Roggenburg und teils auf die mit ihnen verschwägerten Edelherren von Neuffen über. Die Neuffen waren eine Seitenlinie der sehr mächtigen, an der Riß und auf der Alb beheimateten Familie Sulmetingen. Sie benannten sich seit 1160 hin und wieder nach ihren neuen Burgen in Weißenhorn und Buch. Schon bald ließ sich ein Teil der Neuffen dauerhaft und mit Erfolg in Weißenhorn nieder: Unter den Staufern wurden die Neuffen zu einer der bedeutendsten Familien zwischen Iller und Lech. Ihre politisch herausgehobene Stellung behielten sie in der Folgezeit bei. Unter Berthold, dem letzten Neuffen (gest. 1342), erfahren wir erstmals genaueres über den Umfang der zu jener Zeit als bischöflich-augsburgisches Lehen belegten Herrschaft Weißenhorn. Hierzu gehörten neben Weißenhorn selbst mindestens auch Ober- und Unterreichenbach, Wenenden, Bubenhausen, Gannertshofen, Buch, Ritzisried, Waldreichenbach und Halbertshofen. Auch die Einöde Imberg bei Gannertshofen dürfte in diesen Besitzzusammenhang gehört haben. Für Obenhausen und den Weiler Dietershofen sind neuffische Besitzrechte für das Jahr 1304 belegt - allerdings wurden beide Orte in jenem Jahr an Ulmer Patrizier verkauft.

 

b) Übergang an die Wittelsbacher (1342-1504)

Berthold von Neuffen, der letzte seines Hauses (gest. 1342), hatte eine Wittelsbacherin zur Frau gehabt. Daher fiel sein Besitz nach seinem Tod an das Haus Bayern. Die Wittelsbacher jedoch verwalteten ihre neuen schwäbischen Ländereien nicht selbst. Sie verpfändeten sie zunächst an die Witwe Bertholds von Neuffen und ihren neuen Ehemann, den Grafen von Werdenberg. Nächster Pfandinhaber (1356) wurde Herzog Albrecht II. von Österreich, der Weißenhorn wiederum an die Herren von Ellerbach weiterversetzte. 1369 gewannen die Bayern im Zuge eines gewonnenen Krieges gegen Tirol ihre Herrschaft Weißenhorn zurück (Frieden von Schärding) - allerdings nur, um sie sofort wieder als Pfand auszugeben (1369: Albrecht Graf von Werdenberg, 1376: Herren von Rechberg). 1473 aber löste Herzog Ludwig von Bayern-Landshut die Pfandschaft zurück. Angeblich soll ihn ein Besuch vor Ort dazu bewogen haben, die schön gelegenen Herrschaften zurück an sein Haus zu ziehen. Es folgte eine Direktverwaltung der Besitzungen durch bayerische Beamte sowie der Zukauf benachbarter Ländereien (Grafschaft Kirchberg, Herrschaft Pfaffenhofen). Am Ende des Mittelalters war somit südlich von Ulm ein neuer Herrschaftskomplex entstanden: Kirchberg-Weißenhorn. Buch und Umgebung bildeten von nun an den südwestlichen Rand dieser neuen territorialen Einheit.

 

c) Übergang an die Fugger (1507-1805/06)

In den 1480er Jahren wurde Weißenhorn zum Zentrum einer expansiven und kriegerischen Politik der Wittelsbacher. Ziel der Bayern war es, den wachsenden Einfluß Habsburgs auf das Land zwischen Iller und Lech zu stoppen und stattdessen eine flächendeckende wittelsbachische Landesherrschaft in Schwaben zu errichten. Aber mit vereinten Kräften und gestützt durch den Kaiser gelang es den einheimischen Städten, Klöstern und Adligen, den Länderhunger des Bayern abzuwehren (1488: Gründung des Schwäbischen Bundes). Bald darauf entbrannten dramatische Erbstreitigkeiten im Hause Wittelsbach. In der Folge konfiszierten der Habsburgerkönig (und spätere Kaiser) Maximilian 1504 verschiedene bayerischen Besitzungen. Hierunter befand sich neben Kufstein in Tirol unter anderem auch die Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn, inklusive Buch.

 

Der Habsburgerkönig Maximilian brauchte dringend Geld, denn er wollte mit einem prächtigen Zug nach Rom reisen, um sich aus päpstlicher Hand die Kaiserkrone aufsetzen zu lassen. Gleichzeitig brauchte er jemanden, der seine neuen schwäbischen Besitzungen um Weißenhorn zuverlässig verwaltete und führte. Schließlich hatte der Bayernherzog Georg der Reiche von Weißenhorn aus in den 1480ern Teile Schwabens in kriegsähnliche Zustände geworfen. Eine solche expansive Nutzung der Stadt und ihres Herrschaftsgebietes sollte nicht noch einmal stattfinden. Hinzu kam, daß auch die nahegelegene Reichsstadt Ulm schon seit längerer Zeit am Erwerb Kirchberg-Weißenhorns interessiert war. Die Ulmer aber besaßen um 1500 wirtschaftlich, politisch und militärisch dermaßen viel Einfluß auf das Land südlich der Donau, daß eine Einverleibung Kirchberg-Weißenhorns das territoriale Gleichgewicht in der Region deutlich verschoben hätte. Der kluge König Maximilian löste all diese Probleme, indem er die Ländereien 1507 an Jakob Fugger verkaufte.

Buch, Ritzisried, Halbertshofen und Gannertshofen waren in diesem Geschäft mit inbegriffen und teilten daher in der Folgezeit die Entwicklung der Fuggerherrschaft Kirchberg-Weißenhorn. Dies gilt auch für Obenhausen, auch wenn der Ort schon seit dem frühen 14. Jahrhundert lehenshalber an Ulmer Bürger ausgegeben war. Dennoch blieb Obenhausen formal stets Bestandteil der Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn, welche daher die hohe Gerichtsbarkeit über den Ort ausübte (wenn auch nicht immer unumstritten durch die jeweiligen Inhaber Obenhausens).

 

Die Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn gehörte staatsrechtlich gesehen seit 1504 zu Vorderösterreich. Die Untertanen entrichteten ihre Steuern also nicht an die Fugger, sondern an Österreich. Die Fugger kassierten aber als Gerichtsherren alle anfallenden Bußgelder und Notariatsgebühren, die Abgaben der Gewerbetreibenden und die sehr einträgliche indirekte Getränkesteuer auf Bier, Wein und Branntwein. Die Fugger erhielten zudem, sofern die Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn im Direktbesitz des jeweiligen Anwesens war, auch die grundherrlichen Abgaben (v.a. in Form von Getreide) und die Gebühren, die bei Besitzwechseln fällig wurden. Außerdem konnten sie gewisse Frondienste einfordern (z.B. Holzarbeiten), die von Dorf zu Dorf variierten. Seit dem frühen 18. Jahrhundert wurden die Fronen jedoch zunehmend in Geldzuzahlungen umgewandelt.

 

Wollten die Einwohner Kirchberg-Weißenhorns Rechtsstreitigkeiten gegen ihre Herrschaft führen oder fuggerische Urteilssprüche nicht akzeptieren, so konnten sie sich mit ihren Beschwerden an die vorderösterreichischen Gerichtsbehörden in Innsbruck wenden. Langwierige, immer wieder aufflammende und von der Gemeinde Buch unter hohen finanziellen Opfern ausgefochtene Rechtsstreitigkeiten um die Holznutzung im Bucher Wald machten dies mehrfach nötig. Die Innsbrucker Beamten ließen der Gemeinde hierbei durchaus Unterstützung und Sympathie zuteil werden. Dasselbe Phänomen läßt sich übrigens auch im Falle der Stadt Weißenhorn beobachten, deren Bürger mehrfach positive Urteilssprüche gegen ihre Stadtherrschaft erlangen konnten. Österreich war nämlich nicht daran interessiert, ihre Untertanen in Kirchberg-Weißenhorn allzu sehr unter die Kontrolle der Fugger geraten zu lassen.

 

2. Die Abtrennung Obenhausens (mit Dietershofen) von der Herrschaft Weißenhorn

Obenhausen war im 13. Jahrhundert allem Anschein nach der Sitz einer gleichnamigen Ministerialenfamilie: Zwischen 1255 und 1265 ist mehrfach ein Ritter Conradus de Obenhusin belegt. Er stand in Treue- und Lehensverhältnissen zu den Grafen von Dillingen und zum Bischof von Augsburg, der damals ebenfalls ein Graf von Dillingen war. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß Obenhausen damals im Oberbesitz der Augsburger Bischofskirche war. Eine Zuordnung zum Augsburger Lehenhof wird, und das paßt ins Bild, auch für die Besitzungen der Herren von Biberegg-Roggenburg (ausgestorben um 1160) angenommen. Weitere Vertreter der Familie Obenhausen tauchen in den Quellen nur noch vereinzelt auf (zuletzt 1349). Unklar ist das Verhältnis dieser Herren von Obenhausen zu den Herren von Neuffen. Die Neuffen jedenfalls waren es, die Obenhausen zusammen mit dem Großteil von Dietershofen 1304 an reiche Ulmer Patrizier verkauften.

Während Buch immer aufs engste mit der Herrschaft Weißenhorn verbunden blieb und daher relativ wenige Besitzwechsel durchmachte, erfuhr Obenhausen seit dem 14. Jahrhundert mehr oder weniger das Schicksal eines Wanderpokals. 1333 ging der Ort an die vielleicht aus Südtirol stammende Familie Reyff über. 1377 kam Obenhausen in den pfandschaftweisen Besitz der niederadligen Herren von Rechberg, die damals auch schon die Herrschaft Weißenhorn inne hatten. Die Rechberger versetzten Obenhausen sofort an einen Ulmer Bürger namens Kraft weiter, dem 1380 dessen Schwiegersohn Hans Asch nachfolgte. Die Asch verkauften 1409 an die wiederum aus Ulm stammende Familie Värber. Die Värber besaßen Obenhausen nun mehrere Jahrzehnte lang. In den 1470ern aber wollte Herzog Ludwig von Bayern-Landshut neben Weißenhorn und Buch auch Obenhausen aus der Verpfändung an die Rechberger auslösen. Die Värber waren zwar nicht bereit Obenhausen zu räumen, konnten sich gegen die Wittelsbacher aber nicht durchsetzen. Seit 1480 wurde das Gut Obenhausen daher durch einen bayerischen Pfleger (Hans von Schwangau) verwaltet.

Als die Habsburger Kirchberg-Weißenhorn 1504 konfiszierten, wechselte auch Obenhausen in den Besitz Österreichs. Jedoch ging Obenhausen nicht wie die übrigen Teile Kirchberg-Weißenhorns 1507 an Jakob Fugger über, sondern wurde durch König Maximilian noch im Jahr 1504 an die Ulmer Patrizierfamilie Roth veräußert. In der Folgezeit rissen die häufigen Besitzwechsel nicht ab - die jeweiligen Inhaber gerieten stets über kurz oder lang in Geldnöte und konnten das Gut nicht halten (Inhaber: 1533: Augsburger Patrizierfamilie Paumgartner; 1571: Fugger von Kirchberg-Weißenhorn; 1676: Reichsstift Roggenburg; 1697: Kloster Rottenbuch). 1699 schließlich fanden sich mit den Kartäusermönchen aus Buxheim bei Memmingen Käufer, in deren Verwaltung Obenhausen nun bis zum Ende des Alten Reichs (1802/03) verblieb, um dann an die bayerische Krone zu fallen.

Obenhausen wird 1734 als ein von 54 steuerzahlenden Familien bewohntes „großes Dorf mit ganz heruntergekommenem Schloß" sowie Wirtshaus und Brauerei beschrieben. Das Schloßgebäude, das im Kern aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammt, erfuhr im 18. und ausgehenden 19. Jahrhundert gravierende Umbauten und Erneuerungen -es erinnert bis heute an Obenhausens Vergangenheit als Patriziersitz (zu den Besitzern Obenhausens im 19. Jahrhundert: siehe letzter Abschnitt).

 

3. Übergang der östlichen Bucher Gemeindeteile an das Prämonstratenserstift Roggenburg

Nicht der ganze Besitz der Herren von Biberegg-Roggenburg entwickelte sich  nach deren Aussterben (um 1160) dauerhaft zu einem Teil der Herrschaft Weißenhorn: Christertshofen, Ebersbach und Rennertshofen nämlich gingen im Laufe des Spätmittelalters dank einer planvollen klösterlichen Erwerbspolitik gänzlich an Roggenburg über. Als Verkäufer von Gütern und Leuten in den betreffenden Orten traten u.a. die Herren von Rechberg (Pfandinhaber der Herrschaft Weißenhorn) auf. Eine vorübergehend eigenständige Entwicklung nahm hingegen Nordholz. Die Burgsiedlung war ca. zwischen 1180 und 1386 Sitz eines gleichnamigen Rittergeschlechts, das zur Reichsministerialität, also quasi zur „Beamtenschaft" der Staufer gehörte. Vermutlich waren die Nordholzer u.a. damit betraut, ein Auge auf das Wohlergehen des staufernahen Stifts Roggenburg und dessen Untertanen zu haben. Etwa um 1300 baute sich Konrad, ein nachgeborener Sohn, eine eigene Burg in Nordholz. Diese wurde im Gegensatz zur höher gelegenen Stammburg als „niedere Burg" bezeichnet. Die Errichtung eines zweiten Adelssitzes innerhalb ein und desselben Dorfes läßt auf äußerst dürftigen Grundbesitz der Familie schließen. Für eine zunehmende Verarmung spricht auch, daß Afra, eine Angehörige der letzten Nordholz-Generation, einen nichtadligen Mann namens Otto Zwerger geheiratet hatte.

Wohl um 1390 ging Nordholz auf nicht näher bekannte Weise an die Herren von Rechberg (Pfandinhaber Weißenhorns) und von jenen schließlich käuflich an Roggenburg über (1457). Die Nordholzener Burg war zu diesem Zeitpunkt schon zerstört (Städtekrieg 1449).

Nordholz, Christertshofen, Ebersbach und Rennertshofen blieben nun bis zur Säkularisation (1802/03) im Besitz des Reichsstiftes. Die Orte wurden vom Klosteramt Nordholz aus verwaltet, wo einer von insgesamt vier roggenburgischen Verwaltungsbeamten seinen Sitz hatte. Der Klosterstaat umfaßte um 1800 ein geschlossenes Gebiet von ca. 50 km² mit zehn Dörfern (Biberach, Breitenthal, Christertshofen, Ingstetten, Meßhofen, Rennertshofen, Schießen, Tafertshofen, Ober- und Unterwiesenbach), acht Weilern (Unteregg, Schleebuch, Oberegg, Oberried, Flüssen, Nordholz, Ebersbach, Friesenhofen) und vier Einöden (Hilbertshausen, Sausenthal, Halbertshofen, Engenhof); bewohnt wurde das Roggenburger Ländchen damals von etwa 3.200 Einwohnern in insgesamt 539 Häusern.

 

 

4. Zusammenfassung

Die Gemeindeteile des heutigen Marktes Buch blicken auf eine durchaus uneinheitliche Geschichte zurück: Die Hofen-Orte sowie Obenhausen entstanden bereits in alamannisch-fränkischer Zeit. Hingegen stammen Buch, Ritzisried, Waldreichenbach und Nordholz sehr wahrscheinlich aus der hochmittelalterlichen Kolonisationsarbeit der Familie Biberegg-Roggenburg. Diese Biberegger waren im 11./12. Jahrhundert die Herren einer wohl relativ geschlossenen Besitzlandschaft, die sich zwischen Buch, Weißenhorn und Neuburg a.d. Kammel erstreckte. Seit dem späten Mittelalter teilte sich die Herrschaftsgeschichte der heutigen Markt Bucher Gemeindeteile sozusagen in drei große Stränge auf: Buch und seine nächste Umgebung war immer im unmittelbaren Besitz der Herrschaft Weißenhorn und stellte somit die ganze Frühe Neuzeit hindurch einen Bestandteil des über ganz Schwaben verteilten „Fuggerlandes" dar. Eine für das vormoderne Südwestdeutschland ebenfalls sehr typische „Staatsform" war diejenige der Reichsstifte. Dieses Phänomen haben wir mit den östlichen Bucher Gemeindeteilen vertreten, welche unter der Herrschaft der Roggenburger Äbte standen. In Obenhausen wiederum, das schon seit dem 14. Jahrhundert nurmehr formal zur Herrschaft Weißenhorn gehörte, regierten über weite Strecken hinweg reiche Ulmer Patrizier. Auch dies ist eine Herrschafts- und Besitzform, die gerade für Südwestdeutschland - wo es mehr Reichsstädte als anderswo gab - besonders charakteristisch ist.

Die Vergangenheit Buchs und seiner Gemeindeteile ist also Spiegel und Bestandteil der komplizierten und zugleich faszinierend vielfältigen Geschichte des Alten Schwaben.

 


IV. Einzelne Aspekte zur Geschichte des Hauptortes Buch

1. Eine altes Mißverständnis: Buch und die „Grafschaft" Marstetten

Die erste Erwähnung Buchs stammt von 1170: Die beiden neuffischen Ministerialen (Dienstmänner) Cunradus et Albertus de Buech schenkten damals dem Kloster Weihenberg einen Zehnt, den sie von Berthold von Neuffen erhalten hatten. Ebenfalls um 1170 wird ein Berthold von Buch, möglicherweise ein Verwandter  Konrads und Alberts, unter den Getreuen des Klosters Ottobeuren genannt. Nun hören wir für mehrere Generationen nichts mehr von Buch. Erst für 1297 liegt wieder ein Urkundenbeleg vor: Damals bezeugten Gottfried und Albert von Marstetten in Buch, genannt von Neuffen, eine Schenkung an das Stift Roggenburg. Gottfried und Albert waren Söhne des Berthold II. von Neuffen-Weißenhorn (ca. 1239-1272). Jener Berthold hatte um 1239 geschickt geheiratet: Seine Frau Juta war die Tochter einer in Marstetten bei Aitrach (Lkr. Wangen) beheimateten Seitenlinie der Allgäuer Grafenfamilie Ursin-Ronsberg. Fräulein Juta hatte nur eine sehr bescheidene Mitgift aufzuweisen, nämlich einige vom Familienzentrum Marstetten etwas abgelegene Streubesitzungen (u.a. in Bannacker nahe Augsburg). Sie konnte aber dafür etwas mit in die Ehe bringen, was zu jener Zeit einen unbezahlbaren immateriellen Wert darstellte: einen Grafentitel. Berthold von Neuffen führte den Titel spätestens ab 1239 und damit noch zu seines Schwiegervaters Lebzeiten. Der Neuffe konnte hierdurch die bedeutende Stellung seiner - den Grafenfamilien Schwabens an Einfluß und Besitz längst gleichrangige - Familie endlich würdevoll abrunden. Auch das bekannte "Lied vom edlen Moringer" erzählt ja, daß der Neuffe eben gerade nicht die Gräfin von Marstetten mitsamt ihrer Burgherrschaft heiratete: Kurz vor der Eheschließung stellte sich überraschend heraus, daß der totgeglaubte Gatte (im Lied der Moringer genannt) noch sehr lebendig war. Deswegen mußte der neuffische Bräutigam mit der Tochter vorlieb nehmen. Gräfin - und somit auch Herrschaft - hingegen verblieben beim Grafen von Marstetten als rechtmäßigem „Besitzer".

Dieser erheiratete Marstettener Grafentitel ging auf alle Besitznachfolger der Neuffen über (Wittelsbacher, Habsburger, Fugger). Die gerissenen Wittelsbacher schlugen besonderes Kapital aus dem Grafentitel: Sie gaben einem unter ihnen neu eingerichteten, meist zu Memmingen abgehaltenen Landgericht die Bezeichnung "Marstettener Landgericht". Damit wollten sie ihrer Neugründung einen Anstrich von Tradition und Legitimität verleihen. Dieses wittelsbachische Landgericht wurde im späten 15. Jahrhundert nach Weißenhorn verlegt. Hintergrund war der Ausbau Weißenhorns zum Zentrum wittelsbachischer Expansion in Ostschwaben. Das Wirken dieses sogenannten Marstettener Landgerichts in Weißenhorn stellt wohl die eigentliche Ursache des später immer wieder vermuteten territorialen Zusammenhanges zwischen der Herrschaft Marstetten und der Herrschaft Weißenhorn dar. Daher kam es seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert immer wieder zu einer begrifflichen Gleichsetzung der Herrschaft Weißenhorn, insbesondere ihrer Teilherrschaft Buch, mit einer „Grafschaft Marstetten". Diese Gleichsetzung hat zu zahlreichen Mißverständnissen geführt, beispielsweise zu der absurden Vorstellung von einer Transferierung der Allgäuer Burgherrschaft Marstetten in die Weißenhorner Gegend. Daher sei deshalb nochmals betont: Die Heirat des Neuffen Berthold mit Juta aus dem Hause Ursin-Ronsberg-Marstetten brachte ihm den Grafentitel, nicht aber die Burgherrschaft Marstetten ein. Diese blieb bei Jutas Vater Gottfried, fiel nach dessen Tod an König und Reich und wurde 1281 durch den Habsburgerkönig Rudolf an das Kloster Kempten übertragen.

 

2. Die Burg Buch

Die frühen Urkundenbelege zeigen, daß die Neuffen in Buch eine Burg unterhielten. Das Gebäude galt bereits im späten 15. Jahrhundert als verfallen, aber der (östlich der alten Kirche) gelegene Bucher Burgberg beherbergte noch bis ins 17. Jahrhundert Reste der Grundmauern. Erst 1667 wurden die letzten Steine abgetragen und für den Bau des (im 19. Jahrhundert abgerissenen) Weißenhorner Kapuzinerklosters verwendet. Die Bucher Veste war eine Höhenburg. Deshalb ist eine Entstehung im 11./12. Jahrhundert, vielleicht sogar noch unter den Herren von Roggenburg-Biberegg, denkbar. Die Neuffen benannten sich zwar mitunter nach ihrer Burg in Buch. Sie scheinen das Gemäuer aber nicht selbst bewohnt, sondern ihre Dienstleute dorthin gesetzt zu haben (so belegt zumindest für 1170). Während die Neuffen Burg Buch also möglicherweise von ihren Besitzvorgängern geerbt hatten, stellte die Burg Weißenhorn definitiv eine Neugründung  dar. Der Ortsname erinnert an die Stammburg (Neuffen im Remstal), die auf einem leuchtend hellen Albsporn (weißes Horn, Weißenhorn) lag. Weißenhorn entwickelte sich bald zum Familiensitz und Zentrum der Neuffen; 1338 wurde die Burgensiedlung erstmals als Stadt bezeichnet. Der Verfall der Bucher Burg dürfte mit dieser eindeutigen Schwerpunktsetzung aufs engste zusammenhängen. Dennoch hinterließ Buchs Vergangenheit als Burgensitz durchaus seine Spuren, denn der Ort hatte stets eine besondere Stellung innerhalb der Herrschaft Weißenhorn inne: Buch war spätestens seit 1477 Sitz eines herrschaftlichen Beamten (Amtmann, Vogt) und hielt wahrscheinlich schon seit dem ausgehenden Mittelalter einen eigenen Markt ab. In Weißenhorner Besitzverzeichnissen, angelegt unter den Wittelsbachern und den Fuggern, taucht gelegentlich die Bezeichnung „Grafschaft Marstetten" auf. Gemeint ist stets das Amt Buch als Teil der Herrschaft Weißenhorn. Dieser Sprachgebrauch läßt die Erinnerung an die einstige Neuffenburg in Buch auch noch in späteren Zeiten durchscheinen.

 

3. Buch als Amtsort, Gewerbestandort und Pfarrdorf

Auch unter den Fuggern blieb Buch die Wirkungsstätte eines eigenen Amtmannes. Dieser überwachte die Einhaltung der Gebote und Verbote (z.B. im Bezug auf Wald- und Wildfrevel, Diebstahl, Feuerschutz) und saß dem Gemeindegericht vor. Die Beglaubigung von Notariatsangelegenheiten durfte hingegen nur der dem Bucher Amtmann übergeordnete Weißenhorner Kollege vornehmen. Meistens stammten die Bucher Amtleute aus Buch selbst. Der Ort war also ein Knotenpunkt und wichtiges Kleinzentrum innerhalb eines Herrschaftskomplexes, der 1730 immerhin rund 80 Siedlungen umfaßte.

Schon im Spätmittelalter war Buch mit über 70 Anwesen ein stattliches Dorf. 1734 beherbergte Buch insgesamt 91 Haushalte, was etwa einer Einwohnerschaft von rund 400 Personen entsprochen haben wird. Buch wurde damals als ansehnlicher, wohlhabender Ort mit Marktgerechtigkeit, Taferne, Brauerei sowie einer Schenke beschrieben. Es existierten zudem mehrere Zünfte, worunter die der Leinenweber besonders zahlreich war, sowie ein florierender Leinwandhandel. Die Anfänge der Bucher Weberzunft sind wohl spätestens in der Zeit von Jakob und Anton Fugger zu suchen, denn diese beiden betrieben eine - auf Druck der Stadt Ulm hin allerdings schon 1555 wieder eingestellte - Textilindustrie in Weißenhorn. Der Bucher Zunft angeschlossen war im Jahr 1690 auch die Mehrheit der Weber in Gannertshofen und Bubenhausen. Weiterhin hatte Buch ein Amtshaus und ein mit 12 gewählten Gemeindeleuten besetztes Gericht sowie eine spätestens seit 1759 existierende Schule (der Lehrer war nebenbei Organist und Landwirt). Als Pfarrort hatte Buch religiöse Funktionen, die über die Ortsgrenzen hinausreichten. Das frühneuzeitliche Buch besaß also mehrere Elemente von Zentralität - innerhalb seiner näheren Umgebung nahm der Ort daher eine deutlich herausgehobene Stellung ein.

 

4. Das Bucher Marktrecht

Ebenso wie bei vielen anderen Marktorten ist auch für Buch heute nicht mehr klärbar, seit wann die Siedlung als Handelsplatz fungierte. Ein königliches Marktprivileg liegt nicht vor. Ein solches war zur Marktabhaltung aber auch gar nicht notwendig, da hierfür in der Regel die Erlaubnis des Grundherrn genügte. Königliche Marktprivilegien hatten hingegen meist den Zweck, bereits bestehende Märkte unter besonderen Schutz zu stellen und dadurch aufzuwerten. Die Ersterwähnungen der bayerisch-schwäbischen Märkte fallen häufig ins 14. (u.a. Kellmünz), v.a. aber ins 15. Jahrhundert (u.a. Babenhausen, Pfaffenhofen a.d.Roth). Auch für Buch ist daher eine seit spätmittelalterlicher Zeit bestehende Marktfunktion denkbar. Besondere politische und dadurch wohl auch wirtschaftliche Impulse erfuhr die Herrschaft

Weißenhorn unter Berthold, dem letzten Neuffen (1342), und unter der 1473 bis 1504 währenden bayerischen Direktverwaltung. Im ältesten herrschaftlichen Besitz- und Einkünfteverzeichnis (Urbar) über die Herrschaft Weißenhorn aus dem Jahr 1477 wird Buch allerdings als „Dorf" geführt; auch in Urbaren des 16. Jahrhunderts fehlt eine Marktbezeichnung. Dies könnte bedeuten, daß die Bucher Märkte damals noch nicht regelmäßig stattfanden. Ausdrücklich als „Marktflecken" genannt finden wir Buch aber in Quellen des 18. Jahrhunderts, so z.B. in einer österreichischen Beschreibung der Herrschaft Weißenhorn von 1734.

1818 veranlaßte die Regierung des Oberdonaukreises (Vorgängerinstitution der Regierung von Schwaben) gewisse Voruntersuchungen vor dem Hintergrund der bayernweit geplanten Neubildung von Gemeinden. Zum Markt Buch wurde damals folgendes vermerkt: Der Ort habe, ebenso wie auch das marktberechtigte Dorf Pfaffenhofen a.d.Roth, außer der Abhaltung von Märkten nie von seinen Marktrechten Gebrauch gemacht und nie eine marktmagistratische Organisation besessen. Daher erhielten sowohl Buch als auch Pfaffenhofen im Sommer 1818 zunächst eine Stellung als normale Landgemeinde zugewiesen. 1838 aber erfolgte die formale Anerkennung Buchs als Marktgemeinde samt Wappenverleihung - auf Antrag der Gemeinde hin. Das Wappenbild zeigt einen silbernen Turm, der an die Neuffenburg erinnert, nebst einer grünen Buche. Die Hintergrundfarben Silber und Blau verweisen auf das bayerische Landeswappen.

 

 

 

V. Die Folgen von Säkularisation und Mediatisierung

Der Übergang des rechtsillerischen Oberschwabens an den Staat Bayern bewirkte für Buch das Ende seiner Bindung an den traditionellen Bezugspunkt Weißenhorn zugunsten einer administrativen Zuordnung zum Markt Illertissen:

 

Ebersbach, Nordholz, Engenhofen, Rennertshofen, Halbertshofen, Christertshofen sowie auch ein Teil von Dietershofen wurden 1802 zum bis 1862 existierenden königlich-bayerischen Landgericht Roggenburg geschlagen. In Obenhausen war die Lage etwas anders. Dort waren 1803 die Grafen von Ostein in die Besitznachfolge des Klosters Buxheim eingerückt (die Osteiner wurden auf diese Weise für den Verlust ihrer linksrheinischen Besitzungen entschädigt). 1805 aber erhielt Bayern die Landeshoheit über die ehemals geistlichen Besitzungen Schwabens. Daher wurde Obenhausen nun zunächst durch das Landgericht Roggenburg provisorisch mitverwaltet. 1809 gab Bayernkönig Maximilian den Ort als Lehen an einen Freiherrn von Verger aus, welcher dort bis 1818 ein eigenes Patrimonialgericht Obenhausen betrieb. Danach verblieb Obenhausen zwar noch weiter (bis 1851) im Besitz Verbers;  administrativ und gerichtlich jedoch war der Ort dem Landgericht Roggenburg zugeteilt.

Am Beispiel Obenhausens ist übrigens gut erkennbar, wie geschickt die Wittelsbacher ihre neugewonnenen schwäbischen Besitzungen für ihre eigene Klientelpolitik (Ausstattung verdienter Militärs) einsetzten: Zwischen 1808-1851 war das Gut als bayerisches Thronlehen im Besitz des schon erwähnten Generalmajors Jean-Baptiste de Verger (1762-1851). Dieser Verger scheint eine interessante Figur gewesen zu sein, denn er ist vermutlich identisch mit jenem gleichnamigen Leutnant, der 1780-1783 auf Seiten der Franzosen am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen hatte. Über seine Erlebnisse in der neuen Welt verfaßte Verger sogar einen im Druck erschienenen, eigenhändig  illustrierten Bericht. Über Vergers Wirken in Obenhausen ist bis dato allerdings nichts Näheres bekannt. Nach seinem Tod (1851) fiel das Gut Obenhausen zunächst unter staatsbayerische Verwaltung zurück. 1873 erfolgte eine neue Verleihung, diesmal an den vormaligen bayerischen Hauptmann und nun königlichen Oberstzeremonienmeister Graf Karl von Moy (1827-1894). Die Grafen von Moy de Sons waren 1789 als adlige französische Revolutionsflüchtlinge nach Bayern gekommen und hatten sich dort erfolgreich etablieren können: Ernst Freiherr von Moy (geb. 1799 in München) wirkte als Professor der Rechte in Würzburg, München und Innsbruck und trat daneben auch vielfach publizistisch und als Vertreter des politischen Katholizismus in Erscheinung. Die Grafen Moy de Sons sind bis heute im Besitz des Obenhausener Schlößchens. Die Verleihung Obenhausens an die Familien Verger und Moy dürfte übrigens nicht zuletzt dazu gedient haben, ihnen die notwendige Voraussetzung für eine Aufnahme in den bayerischen Adel zu verschaffen.

 

Doch zurück zur Entwicklung der übrigen Bucher Gemeindeteile nach dem Zusammenbruch des Alten Reichs:

Die Fugger erhielten für ihre Besitzungen in der ehemaligen österreichischen Lehensherrschaft Kirchberg-Weißenhorn 1808 den Rang eines Herrschaftsgerichtes Kirchberg-Weißenhorn verliehen. Sie hatten sich dieses Privileg durch ihre frühzeitige freiwillige Anerkennung der bayerischen Staatssouveränität verdient. Dieses fuggerische Herrschaftsgericht hatte seinen Sitz anfangs in Kirchberg. 1810 verlor Bayern allerdings seine Staatshoheit in den westlich der Iller gelegenen Fuggerbesitzungen an das Königreich Württemberg. Daher verlegte das Herrschaftsgericht seinen Sitz nach Weißenhorn . Weißenhorn selbst gehörte jedoch nicht zum Herrschaftsgericht, sondern war Teil des bayerischen Landgerichts Roggenburg. Zu diesem bis 1848 bestehenden adligen Herrschaftsgericht gehörten auch einige vormals in fuggerischem Privatbesitz befindlichen Anwesen in Buch, Gannertshofen und Dietershofen.
Diejenigen Anwesen in Buch, Ritzisried, Nordholz (mit Ebersbach), die bis 1802 geistlichen Grundherren gehört hatten, wurden durch das Landgericht Illertissen verwaltet.

 

Nach der bayernweiten Aufhebung der adligen Patrimonialgerichtsbarkeit (1848) erhielt Weißenhorn vorübergehend eine eigene königliche Gerichts- und Polizeibehörde. Deren Befugnisse wurden aber bald darauf (1852) an die drei benachbarten Landgerichte Roggenburg, Neu-Ulm und Illertissen übertragen. Buch und Umgebung kamen zum Landgericht (seit 1862: Bezirksamt) Illertissen. Hierdurch war die jahrhundertelange administrative Zugehörigkeit Buchs nach Weißenhorn beendet. Buch und Umgebung gehörten fortan zum Einzugsgebiet des Marktes Illertissen, der von dieser Entwicklung wirtschaftlich sicherlich profitierte. Die Bezirksämter Illertissen und Neu-Ulm, die 1880 größenmäßig einander angeglichen wurden, stellten die direkten Vorläufer der bis 1972 bestehenden gleichnamigen Altlandkreise dar.

 

Im Rahmen der bayerischen Gebietsreform von 1972 wurden der Landkreis Neu-Ulm, der Großteil des Landkreises Illertissen und die kreisfreie Stadt Neu-Ulm zu einem Landkreis zusammengelegt, der zunächst die Bezeichnung Illerkreis erhielt. Die südlichen Gemeinden des Landkreises Illertissen um Babenhausen fielen dem neugeschaffenen Landkreis Unterallgäu zu. Am 1. Mai 1973 wurde der Illerkreis in Landkreis Neu-Ulm umbenannt. Die zweite Stufe der Gebietsreform brachte 1978 die Reduzierung der Anzahl der Gemeinden und das neue Institut der „Verwaltungsgemeinschaften" mit sich. Als eine der seither knapp 400 in Bayern eingerichteten Verwaltungsgemeinschaften wurde so auch die Verwaltungsgemeinschaft Buch ins Leben gerufen, zu der neben Buch die Gemeinden Oberroth und Unterroth gehören.

 

Die Geschichte des Marktes Buch im 20. Jahrhundert harrt noch der Aufarbeitung. Wichtige Themen wären insbesondere die Zeit des Nationalsozialismus (die Gründung einer NSDAP -Ortsgruppe in Buch erfolgte 1934), die kulturellen und soziologischen Folgen des vertreibungsbedingten Zuzugs nach 1945 und die Auswirkungen des ländlichen Strukturwandels auf die Lebens- und Wirtschaftsformen im Markt Buch.

 

 

 

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Literatur (in Auswahl):

 

  • - Bürzle Joseph, Der Markt Buch und die Grafschaft Marstetten. Die Wirtschafts- und Rechtsverhältnisse, in: Der Heimatfreund. Beilage der Illertisser Zeitung für heimatliches Leben 6 (1955), Nr.1-6 - HFI 7 (1956), Nr.3.
  • - Bürzle Joseph, Ehehaften der Gemeinden Buch und Ritzisried, in: Heimatglocken. Beilage zum Iller-, Roth-, und Günzboten 14 (1939), Nr. 43-50.
  • - Bürzle Joseph, Der Bucher Wald und seine bewegte Vergangenheit, in: Heimatglocken. Beilage zum Iller-, Roth-, und Günzboten 17 (1942), Nr.40-44 und 18 (1943), Nr.1-8.
  • - Bürzle Joseph, Die Wirtschafts- und Rechtsverhältnisse in der Grafschaft Marstetten, erläutert an deren Hauptort, dem Markte Buch, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben 57 (1950), S. 69-119.
  • - Bürzle Joseph, Das adelige Gut Obenhausen, in: Heimatglocken. Beilage zum Iller-, Roth-, und Günzboten 16 (1941), Nr. 41-45.
  • - Hadry Sarah, Die Herren von Neuffen, Gründer Weißenhorns, in: Weißenhorner Profile 1160-2010. Beiträge und Untersuchungen zur Stadtgeschichte ( Kataloge und Schriften des Weißenhorner Heimatmuseums 5), hg. von Erich Mennel und Wolfgang Ott, Weißenhorn 2010, S. 7-21.
  • - Hadry Sarah, Die Fugger in Kirchberg und Weißenhorn. Herrschaftsverfassung und

          Leibeigenschaft, Konfessionalisierung und Residenzbildung

          Materialien zur Geschichte der Fugger 5), Augsburg 2007.

  • - Holl Josef, Die Herrschaft Obenhausen, in: Mitteilungen des Museumsvereins Weißenhorn und Umgebung 1/Nr. 5 (1908).
  • - Opfinger Joseph, Ortsbeschreibung der Marktgemeinde Buch 1939, in: Heimatglocken.

           Beilage zum Iller-, Roth-, und Günzboten (1939), Nr. 32-42.

  • - Reich Thomas, Herrschaftsbildung und Herrschaftskräfte auf dem Gebiet des Altlandkreises Illertissen, Diss. masch. Augsburg 2000.
  • - Sedelmayer Josef, Bucher Wald, in: Mitteilungen des Museumsvereins Weißenhorn und Umgebung 1930, Nr. 10, Nr. 11 und MMW 1931, Nr. 1.
  • - Sedelmayer Josef, Streiflichter über die Geschichte von Obenhausen, in: Mitteilungen des Museumsvereins Weißenhorn und Umgebung 1935 (Nr. 12), 1936 (Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5-Nr.12), 1937 (Nr. 13).
  • - Weiss [...], Geschichtliche Notizen über die Gemeinde Ritzisried, in: Heimatglocken

          (Illertissen) 14. Jg. (1939), Nr. 20-31.

 

 

 

 

 

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